anhand der Lektüre von Uwe Johnsons „Jahrestage“ macht sich Hausregisseurin Anna-Sophie Mahler auf zu einer Recherche in das 20. Jahrhundert. Die Regisseurin und ihr Team begeben sich auf eine detektivische Reise zum Autor und seinem Jahrhundertroman. Was ist die Geschichte, die hinter der Geschichte lauert? Geschichte(n) über ein zerrissenes Jahrhundert und eine durch Krieg und die Zeit zerrissene Familie, deren Zentrum geheimnisvoll und verschlossen bleibt irgendwo zwischen Mecklenburg und New York City.
Jeden Morgen schlägt Gesine Cresspahl vor der Subway ihre Zeitung auf. Täglich, über ein Jahr hinweg schreibt sie einen Eintrag in ihr Buch, beginnend mit einem Zitat der New York Times, die ihr Tag für Tag sachlich aus aller Welt, von Kriegen und globalen Verwerfungen berichtet. Über die gedämpften Schreie einer unruhigen Gegenwart steigt die Erzählerin hinab in die Stille der Erinnerung. Erinnerungen an stürmische Jahrestage, die Parallelen zu den gegenwärtigen aufweisen und doch verschieden sind. Die Erinnerungen verselbstständigen sich, eine Gestalt tritt auf und zieht wieder ab, wechselt hinüber in eine andere Zeit auf der anderen Seite des Ozeans. Erinnerungen gelangen zu neuer Gegenwart durch die drängenden Fragen der Tochter und einer neuen Generation, umgeben vom Lärm der Metropole New York im Epochenjahr 1967 / 1968, inmitten von Vietnamkrieg und Studentenprotesten. Es entblättert sich ein weltläufiges Panorama deutsch-deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts, eine Reise in die wechselvolle New Yorker Gegenwart des Jahres 1968, zugleich die Geschichte einer Familie. Geschichten vom Leben in Mecklenburg in der Weimarer Republik, während des Nationalsozialismus, in der Sowjetischen Besatzungszone und in den ersten Jahren der DDR klingen an und verstummen wieder.
Wie stark hallen jedoch diese jüngst abgeschlossenen Kapitel in unserer Gegenwart nach? Wie bewältigt, sortiert und erzählt man einen Stoff von einem vermeintlich sicheren Standpunkt aus, diese kompliziert verwobene Familiengeschichte voller Risse und Versenkungen angesichts einer damals wie heute unsicheren Zukunft? Das Gefühl der Fragmentierung von Welt, der Überforderung sowie der Ausstreichung der Möglichkeit von Illusion und Utopie steigen auf. Bieten die immer wieder erlebten Umwälzungen noch die Chance, an Stabilität zu glauben?
Regie:
Anna-Sophie Mahler
Text- und Konzeptmitarbeit::
Falk Richter
Bühne:
Katrin Connan
Dramaturgie:
Benjamin Große
Live Musik:
Michael Wilhelmi, Michael Wenk
Sounddesign:
Albrecht Ziepert & Rafal Stachowiak
Mit: Thomas Braungardt, Sonja Isemer, Amal Keller, Andreas Keller, Markus Lerch, Denis Petković, Bettina Schmidt, Paula Vogel
Premiere
18.03.2023
Schauspiel Leipzig